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Unternehmerfamilien leiden stark unter der Wegzugsbesteuerung

Vor einem Jahr haben wir uns im Editorial dieser Mandantenzeitung besorgt über die damals beschlossenen und seit Anfang 2022 nun tatsächlich geltenden Neuregelungen zur Wegzugsbesteuerung geäußert. Insbesondere die für viele Unternehmerfamilien und deren Berater überraschende und zudem völlig unnötige Verschärfung des Wegzugs ins EU-Ausland lies alle Beteiligten ratlos zurück. Scheint es doch nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) eingreifen wird. Aber von Anfang an:

Im Grundsatz ist es dem deutschen Fiskus nicht zu verdenken das deutsche Steuersubstrat abzusichern. Die ist notwendig, wenn Werte von in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen im Inland geschaffen und durch Wegzug ins Ausland der deutschen Besteuerung entzogen werden. Dies kann bei Kapitalgesellschaftsbeteiligungen regelmäßig der Fall, weil das internationale Abkommensrecht nahezu übereinstimmend vorsieht, dass Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ausschließlich im Land der Ansässigkeit des Gesellschafters besteuert werden dürfen. Nach einem Wegzug des Gesellschafters ist dies also nicht mehr in Deutschland. Um dem entgegenzuwirken, besteuert Deutschland bei Wegzug oder aber bei Schenkung oder Vererbung an Personen, die bereits im Ausland leben, bis dahin aufgelaufene Wertsteigerungen sofort. Die sinnvolle und bisher vor allem auch als europarechtlich notwendig erachtete zinslose und zeitlich unbeschränkte Stundung bis zur tatsächlichen Veräußerung für alle "EU-Fälle" wurde abgeschafft. Neuerdings greift die Wegzugsbesteuerung unabhängig vom Zielland sofort.

Gerade bei erfolg- und traditionsreichen Familienunternehmen sind über Generationen erhebliche Werte aufgelaufen, die im Wegzugsfall zu enormen Steuerbelastungen ohne Liquiditätszufluss führen. Für Unternehmerfamilien eine untragbare Situation - steht das Familienunternehmen doch naturgemäß gerade nicht zum Verkauf, sondern soll im Familienkreis weitergeführt werden. Die Möglichkeit einer Ratenzahlung oder die "Rückzugsregel" helfen in den seltensten Fällen weiter.

In der Beratungspraxis taucht die Wegzugsbesteuerung bei immer mehr Unternehmerfamilien als großes Hemmnis auf - sei es in Hinblick auf private Dispositionen oder aber auf die Strukturierung des Unternehmens. Gerade die derzeit nachfolgenden Generationen zeichnen sich durch eine hohe internationale Beweglichkeit aus: Kaum ein Lebenslauf kommt noch ohne Auslandsstation aus. In vielen Familien kommt es regelmäßig vor, dass mindestens ein Kind - zumindest zeitweise - seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt. Was aber tun, wenn zu Hause die Übertragung einer Kapitalgesellschaft ansteht? Erzwungener Rückzug? Ausschluss aus der Unternehmensnachfolge? Manchmal wird die Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, die von der Wegzugsbesteuerung nicht betroffen ist, in Erwägung gezogen. Aber auch das ist zumeist nicht ohne erhebliche Steuerzahlungen möglich.

Glücklich also die Familien, deren Unternehmen in Personengesellschaften organisiert sind? Nur auf den ersten Blick: Viele dieser Unternehmerfamilien streben eigentlich eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft an - und sind daran gehindert, weil Gesellschafter oder potenzielle Nachfolger nicht die Freiheit eines Wegzugs ins Ausland aufgeben möchten.

Führt man sich diese völlig aus der Zeit gefallenen Einschränkungen vor Augen, die gerade Unternehmerfamilien, die mit ihren Unternehmen wesentliche Bedeutung für unser Land haben, durch eine einzelne gesetzliche Regelung auferlegt werden, zeigt sich dringender Handlungsbedarf. Insbesondere vor dem Hintergrund eines deutlich verbesserten Informationsaustausches und einer immer engeren Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen, muss dem Gesetzgeber doch eine Regelung mit Augenmaß möglich sein. So bliebe vielleicht auch dem EuGH Arbeit erspart.


Helmut Heinrich, Wirtschaftsprüfer & Steuerberater

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Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer ​und Steuerberater
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